Einstürzende Neubauten’s music has always created its own cosmos, but with “Alles wieder offen” this cosmos is wider than ever before. And the stars within it are shining brighter.
Encouraged possibly by the title of the CD “Silence is sexy” of 2000, the word was that Einstürzende Neubauten have become calmer, quieter even. “Alles wieder offen” blows this assumption out of the water. It is in every aspect an urgent and compelling album. The reason for this is that the instruments do not, as they used to, exhaust themselves by a consumptive struggle against each other, but instead unleash a previously unknown fusion of conventional as well as Einstürzende Neubauten-typical instruments. Especially noticeable are the vibraphone, the hammond-organ and the clever string sections. After almost three decades the musicians here seem to be in a state of euphoria encouraged by their own seemingly endless possibilities.
Working outside normal record business market mechanisms, Einstürzende Neubauten have recorded a CD during an incredible 200 days in their own studio, whose subject is relocation, change, loss, vanitas or generally the passing of time, and which can still be called entertainment art. The album is a long glance back, a kind of self-assurance, and it reaches a point where “All (is) open again”. This might be positive, it might perhaps be frightening, but it is above all one thing: brave.
(Abstract of NO BEATUY WITHOUT DANGER by Thomas Kolitsch, July 2007)
Was soll ich jetzt mit euch, ihr Wellen, ihr, die ihr euch nie
entscheiden könnt, ob ihr die ersten oder letzten seid?
Die Küste wollt ihr definieren mit eurem ständigen Gewäsch,
zisilieren mit eurem Kommen, eurem Gehen.
Und doch weiss niemand wie lang die Küste wirklich ist,
wo das Land aufhört, das Land beginnt, denn ständig ändert
ihr die Linie, Länge, Lage, mit dem Mond und unberechenbar.
Beständig nur ist eure Unbeständigkeit.
Siegreich letztendlich, denn sie höhlt, wie oft beschworen,
Steine, mahlt den Sand, so fein wie Stundengläser,
Eieruhren ihn brauchen, zum Zeitvermessen und für den
Unterschied von hart und weich.
Siegreich auch weil niemals müde, den Wettbewerb, wer
von uns beiden zuerst in Schlaf versinkt, gewinnt ihr, oder
du, das Meer noch immer, weil du niemals schläfst.
Obwohl selbst farblos, erscheinst du blau wenn in deiner
Oberfläche ruhig sich der Himmel spiegelt, ein Idealparkour
zum wandeln für den Sohn des Zimmermanns, das wandelbarste Element.
Und umgekehrt wenn du bist, wild, und laut und tosend
deine Brandung, in deine Wellenberge lausch‘ ich,
und aus den höchsten Wellen, aus den Brechern,
brechen dann die tausend Stimmen, meine, die von gestern,
die ich nicht kannte, die sonst flüstern und alle anderen
auch, und mittendrin der Nazarener;
Immer wieder die famosen, fünfen, letzten Worte:
Warum hast du mich verlassen?
Ich halt dagegen, brüll‘ jede Welle einzeln an:
Bleibst du jetzt hier?
Bleibst du jetzt hier?
Bleibst du jetzt hier, oder was?
Die Stadt liegt unter Nebel
Ich bin auf meinem Berg
In meinem schwarzen Garten
zwischen Himmeln eingeklemmt
in der Enklave meiner Wahl
in der ich mich versteck
in Nagorny Karabach
Vormals tiefe Wälder
Bergketten, vielleicht Eis
eine messinggelbe Sonne
verbricht ein Paradies
meine Sys- und Diastole
dazwischen der Moment
getragen von den Vögeln
die hier zugange sind
in der Enklave meines Herzens
in der ich mich verlier
in Nagorny Karabach
Ich steig den Berg herunter
geh ins eine oder andere Tal
es ist geflaggt in allen Farben
in Bergisch-Karabach
Zwei grosse schwarze Raben
fressen die Pflaumen aus dem Baum
Ob die andre Stadt mich lieb hat …?
In der Enklave meiner Wahl
in der ich mich verberg’
in Nagorny Karabach
Komm mich mal besuchen
ich hab’ unendlich Zeit
und der Blick der ist vom Feinsten
über Wolken und die Stadt
in Nagorny Karabach
Nagorny Karabach
Nagorny Karabach
Weilweilweil
weilweilweil
Die Kette der Beschwichtigungen
ist lückenlos
reisst niemals ab
Was gerade ist wird krumm gebogen
was krumm ist reden sie gerade
weilweilweil
Von Gangreserve
auf Zuckerpfoten
Getänzel um den heissen Brei
so ist es
Lass dir nicht von denen raten
die ihren Winterspeck der Möglichkeiten
längst verbraten haben
weilweilweil
weilweilweil
Du merkst dass was nicht stimmen kann
in den Mustern der Erzählung
von rechten Winkeln
abben Ecken
bis zur erblichen Verfehlung
weilweilweil
Die Zähne werden im Getriebe abgerieben
die Ideen werden abgeseiht
Alles was du lernst ist doch nur rückwärts parken
Lass dir nicht von denen raten
die ihren Winterspeck der Möglichkeiten
längst verbraten haben
Lass dir nicht von denen raten
die ihren Winterspeck der Möglichkeiten
längst verbraten haben
Du musst die Sterne und den Mond enthaupten
und am besten auch den Zar
die Gestirne werden sich behaupten
aber wahrscheinlich nicht der Zar
Ich hatte ein Wort
ein langes, selbstgezimmertes wie eine Rinne, mit Rädern,
schmal wie ein Einbaum, oder etwas das Zement leiten soll
ein Modell zwar, windschnittig und windschief; aber meins
Ich hatte ein Wort
ein rundes, rund wie eine Orange
es hat mitunter, mitternachts, den ganzen Innenraum mir erhellt
die Frucht war nach der Natur bewachsen
einem Foto des Mondes neben dem Bett
Irgendwer hat die Bedeutung mir verdeckt
in einem Winkel ganz weit weg auch noch versteckt
Ich hab’ keinen Beweis
di di di …
Ich hatte ein Wort
ein fremdes, mir sehr widerstrebend …
es wuchs eines Tages mit kleinen Köpfen beiderseits aus meiner Haut
zu dritt dann morgens im Spiegel haben wir uns angeschaut
und habens nicht geglaubt – so unvertraut
Irgendwie hat es sich mir dann auch entdeckt
es hielt sich nicht länger in seinem Winkel versteckt
da war der Beweis
dididi…
Ich bin die fernsten Winkel abgereist
auf der Suche nach der Bedeutung, diesem Beweis
nach einem Wort das ich nun endlich wieder weiss
was ich in mir trug das geb ich nicht mehr preis
ich gebs nimmermehr preis…
von wegen von wegen von wegen
von wegen von wegen von wegen ich weiss
von wegen von wegen von denen von denen ich weiss
ich bin schon lange lange lange abgereist
auf wegen von denen von denen ich weiss
hab’ meine zelte abgebrochen
lange lange lange ists her
auf wegen von wegen von denen von denen ich weiss
das gelände hinter mir hab ich immer weiter schön vermint
von wegen von wegen von wegen ich weiss
hab’ meinen verstand begraben
wie meine seele im wüstenboden
von wegen von wegen von wegen von wegen
vor mir links und rechts die wegelagerer: wartend – umsonst
auf wegen wegenwegenwegenwegenwegenwegenwegen
von denen ich weiss
irrwegig abwegig umwegig
zurück zu dir
warn immer schon so angelegt
unter und oberirdisch
zurück zu dir
ich lebe von der belegschaft meiner zunge
von den expektorationen meiner mutmasslichen seele
lös mich auf wie zucker
wenn du die zeit dafür findest
machs sanft und plötzlich
im handstreich
oder einfach nur mit einem blick
es war alles schon mal da
machs am besten noch während ich tanze
ich tanze
ich tanze
du atmest wie ein funke, ohne körper mitten in mir
sehnsucht ist die einzige energie
Ba-ummpff!
Let’s do it, let’s do it, let’s do it a Dada!
Bei Herzfeldes hab ich mal gefrühstueckt
in Steglitz oder Wilmersdorf
mit Wieland hab ich mich gestritten
mit Wieland, nicht mit John
Ich reichte ihm die Schere
Ich kochte ihm den Leim
In keinem Diktionär
hat es den Eintrag je gegeben
nur du und ich my Darling
wir wissen was es wirklich heisst
Let’s do it, let’s do it, let’s do it a Dada!
Ich spielte Schach mit Lenin
Zürich, Spiegelgasse
Ich kannte Jolifanto höchstpersönlich
hab mit dem Urtext selbst einmal gebadet
Ich spielte mit Anna
Ich spielte mit Hannah
Ich weiss wo der Kirchturm steht
Ich reichte ihr das Küchenmesser
Ich kochte ihr den Leim
Hawonnnti!
Let’s do it, let’s do it, let’s do it a Dada!
Hülsendada
Propagandada
Monteurdada
Zentrodada
Das Oberdada
Ein grosses Ja ein kleines Nein
Ich trank ne Menge
trank mit George
war trotzdem nicht zur Stelle
an der Kellertreppe
morgens am Savignyplatz
Ich half Kurt beim Bauen seiner Häuser
No. 1, 2 und 3
Ich reichte ihm die Säge
Ich kochte ihm den Leim
Aaah! Signore Marinetti!
Back from Abyssinia?
Just you and me my darling
we know what it really means
Let’s do it, let’s do it, let’s do it a Dada!
Die Gleichungen
Die Rechnungen
Die Fragen und das Meer
Grenze, Mauer, Lachen, Haus
Feindschaft und Visier
Die Karten liegen offen
Wie die Grube
Wie das Grab
Das Ende und die Feuerstelle
Das Geheimnis und die Quelle
Die Schleuse und der Sarg
Und möglicherweise auch das Magengeschwür
Es ist alles wieder offen
Die Zukunft
Die Folge, Nachfolge
Resultat
Tür, Tor, Wein, Hose, Bluse, Hemd und Haar
Die Fontanelle
Schlucht
Die Zukunft und die Bar
Die Runde
Der Schmerz (Das Spiel)
Die offene Marktwirtschaft
Das Messer
Jacques Offenbach
Es ist alles wieder offen
Vorwärts
Rückwärts
Seitwärts
Raus raus raus
Es ist alles wieder offen
wieder offen
wieder alles
Das System
Die Stelle und der Bahnübergang
Zeit, Platz, Buch, Krieg
Briefe, Schrank und Schuh
Dach, Kanal
Der Sieg und der Kamin
Die Geschäfte bleiben offen
Bleiben offen sowieso
Das Angebot ist offen für alle
Es ist alles wieder offen
wir hoffen
wieder alles
Ich lehne mich kurz zur Seite
und erwarte einen kleinen Schub
Ich weiss nicht ob ich heulen sollte…
Was ist offen?
Die Wunde und das Herz
Das Gesicht
Die Kirche
Die Gesellschaft und der Staat
Das Mikrofon
Der Himmel
Die Partnerschaft
Das Wort
Der offene Vollzug
Es ist alles wieder offen
Man kann es nicht unbedingt Schlaf nennen
vom einen zum anderen Pol das Ganze genauso weit entfernt
die Träume lehnen sich über den Rand
und starren in den Krater der verlorenen Gegenstände
die dort unten ruhig ihre Bahnen ziehen
sie starren unverwandt zurück
und ich frage mich: Wieviele Dinge haben sich jetzt schon wieder verselbständigt?
Der Koffer wurde aufgegeben
Ich hab ihn aufgegeben
und er ist irgendwo gelandet
wo ich nicht gelandet bin
sein Inhalt ist Diebesgut geworden
Prise, längst versilbert, oder besser: verpulvert
Ich setz mich aufrecht
es spielt keine Rolle, ob es nachmittags ist, abends oder mitten in der Nacht
das Tageslicht wird mich in den Tatsachen verwickeln, die diese Zeitzone so mit sich bringt
Draussen
es gibt ein draussen
Aber bin ich noch vollständig genug?
hab’ ich noch alle beisammen?
die sieben Sachen
Brille
Stift
und Block
Karten
Geld
Pass
und Schlüssel
Talente?
Ich hab’ das mit dem draussen erst einmal gekippt
sein und sein gelassen
Ich setz mich aufrecht
Ich räuspere den Schleim nach oben, bis ich ihn zu fassen kriege.
Mit zwei Fingern ziehe ich seinen Faden aus meiner Kehle, meinem Körper.
Daran hängen wie an einem Glückskettchen:
ein Herz, meine Liebe, eine Flasche, ein Haus, eine Münze, ein Hufeisen,
eine Sechs, eine Sieben, ein Kleeblatt, ein Fisch, ein Würfel, eine 13,
eine Glocke, ein Schloss, ein Schlüssel, ein Hammer, ein Stern, der Mond, die Sonne
und ganz zum Schluss dann eine Putzbürste deren Borsten noch
die letzten Reste, ein paar Klümpchen, mit nach draussen holen.
Endlich sauber. Endlich leer.
Ich trinke ein grosses Glas Wasser und warte. Was fest und in mir mich sorgte,
hängt vor mir und trocknet wie altes Gemüse, Peperoni, Dörrobst.
Das Wasser findet seinen Weg. Ich lasse es, ein letzter Strahl.
Ein letztes Gas, ein Flatus.
Endlich leer.
Endlich leer.
Ich: meine Hülle.
ausgezehrt und abgemergelt
wie in der erinnerung
an der selben stelle eingeladen
an der du ausgestiegen bist
auf den lippen noch die selben fragen
nach den ersten dingen letzten tagen
oder einfach nur nach material
lass uns nach hause gehen
du fragst mich: alter,
wo ist das was ich vorhatte bei dir verblieben?
ist es festgeschrieben oder wurde es ertränkt?
ich sage:
was von mir noch übrig ist hat nur mit dir zu tun
unter schichten jahren jahresringen
ist es immernoch eingraviert
lass uns nach hause gehen
zu dir und mir
ich singe unsre katastrophen
intonier zusammenbrüche
ich stimme in jeden trugschluss ein
ich singe vokalisen zu deinen harmonien
bis zum kehrreim bis zum schluss
lass uns nach hause gehen
susej
wir müssen alles rückwärts gängig machen
susej
steig deinen schädelberg herunter
susej
zurück durch strassen und die gassen
susej
der pöbel und die massen
sie können jetzt nach hause gehen
susej
sag den sternenzauber ab
auch die magi können nach hause gehen
susej
alle können nach hause gehen
alle
ajulehlah
ajulehlah
ajulehlah
ajulehlah
seid vorübergehend!
Ich warte mit geschlossenen Augen
warte auf den Morgen
Ich warte auf die Putzkraft
die soll den Blumenmüll entsorgen
Ich warte auf die Kellnerin
hab Monde mir bestellt …
Ich warte durch die ganze Zeitung
bis es Zeit ist für die Welt
Ich warte mit dem Kugelschreiber
auf den Einfall der Ideen
Ich warte warte warte weiter
bis es Zeit ist zurückzugehen
Ich warte in den Zwischenräumen
vorgeblich ungeschützt
Ich warte auf die neue Sprache
die die mir dann nützt
Ich warte auf die Dopamine
die innerlich versprochen sind
Ich warte auf die Vorstellung
dass der Film endlich beginnt
Ich warte vor dem Automaten
warte auf mein Geld
Ich warte bis ein Stückchen Weltraumschrott
direkt vor meine Füsse fällt
Ich warte taste schwarze Tasten
weil Weiss bisher nur irrt
Ich warte warte warte weiter warte unbeirrt
Ich warte auf Katzengangeslärm
Ich warte auf Fischessang
Ich warte auf den einen grossen
unbeherrschten Klang
Ich warte auf die dunklen Massen
zwischen den Sternen noch unentdeckt
Ich warte auf die Untertassen
von den Nazis in den Anden versteckt
Ich warte am Rand der Welt
an dem es selbst Atomen schwindelt
Ich warte direkt am schwarzen Loch
Ich warte warte immernoch
Ich warte unverdrossen
Ich warte auf meiner Eisbergspitze
am Ende der Physik
auf Novemberhitze
und auf Dinge dies nicht gibt
Ich warte warte immer weiter
letztendlich auf Musik
Ich warte auf die eine
die ihren Namen wohl verdient
immer da war immer recht hat
auf die eine die die Sonne ausgräbt
das Gesetz der Gräber aufhebt
Ich warte auf die die taktlos erntet
honigtriefend
barfuss tanzend ohne Hemmschuh
die Ton für Ton der Starre entkommt
die jedem auf Anhieb bekannt vorkommt
Ich warte bis sie Türen Tore Schleusen öffnet
bis sie wolkenbrechend – Weckruf Fanfare –
überraschend aus dem Hinterhalt sich stürzt
Ich hoffe sie zettelt eine Hymne an
Ich warte bis es nichts mehr zu warten gibt
das Leben ist kein Irrtum, kein Irrtum und Musik
Ich warte
Ich warte immernoch